Menschen entwickeln sich. Und wenn es gut läuft, nicht zurück, sondern weiter. Gesellschaften auch. Wobei auch das zwei Richtungen haben kann. Aber diese philosophische Frage besprechen wir lieber Auge in Auge bei einem gepflegten Glas Wein. Zwischen Menschen als kleinste Einheit und Gesellschaft als sehr große Einheit entwickeln sich auch Unternehmen. Aber wie genau entwickelt sich das alles? Wo stehen Sie gerade? Wo Ihr Unternehmen? Und ist etwas zu tun?

Spiral Dynamics ist ein Modell aus den Bereichen Sozialwissenschaft und Psychologie, das auf Basis empirischer Untersuchungen beschreibt, wie diese Entwicklung über 9 Ebenen im Idealfall abläuft – konkret, welche Werte sich entwickeln, auf einer Ebene besonders wichtig sind und welches typische Verhalten daraus resultiert. Der Fokus der Werte verschiebt sich in diesem Modell von Ebene zu Ebene jeweils von einem „Ich-Fokus“ zu einem „Wir-Fokus“ und wieder zurück. Es bietet damit eine sehr gute Orientierung, um zu reflektieren, wo Sie als Mensch und Führungskraft stehen, wo Ihre Mitarbeiter und wo Ihr Unternehmen – damit Sie angemessen und zielgerichtet handeln können.

Das Konzept dieses Modells wurde von Don Beck und Chris Cowan auf der Grundlage der Theorien und empirischen Untersuchungen von Clare W. Graves Ende des vergangenen Jahrhunderts entwickelt. Ein in Deutschland daraus abgeleitetes System, das die aktuell vorherrschenden Ebenen bei Personen und auch Unternehmen messbar macht, sind die „9 Levels of value systems“. Lassen Sie sich etwas mitnehmen durch die 9 Ebenen, die jeweils mit Farben bezeichnet sind.

Mit Beige wird die erste Ebene benannt, auf der ein erkennbares Selbst kaum erwacht ist und allein das Überleben relevant ist. Da haben wir ja alle gleich angefangen: als Baby. Wie weit Sie bis heute gekommen sind, können Sie im Laufe des weiteren Textes sicher selbst etwas genauer einschätzen. Und auch, wo Ihr Unternehmen vor allem steht.

Die zweite Ebene ist Purpur, ein mystisches Level mit Wir-Werten wie Tradition, Bindung und Ritualen – typisch für ein Kind, das noch an den Weihnachtsmann glaubt und Papa für unfehlbar hält, eine Stammesgesellschaft mit Medizinmann oder auch ein ganz und gar patriarchalisch geführtes Familienunternehmen, bei dem nur das Wort des Familienoberhaupts gilt und bei dem nicht nur Unternehmensführer, sondern auch durchaus Mitarbeiter über Generationen hinweg arbeiten. Auch die Formulierung „Wir beim Daimler“ hat Züge von Purpur. Will das Ich eine größere Rolle spielen, entwickelt es sich in Richtung der nächsten Ebene, Rot – einem tendenziell aggressiveren Ich-Level, wie es z. B. bei Jugendlichen in der Pubertät sichtbar wird, die sich stärker von ihrem Familienumfeld abgrenzen – Papa ist jetzt längst nicht mehr unfehlbar. Hier gelten Werte wie Stärke, Macht und Durchsetzungsvermögen mit einer Win-Lose-Einstellung. Typisch ist dies für Organisationen wie die Mafia oder Jugendclans, in der der Stärkere dominiert und der Schwächere sich unterordnet, klassisch auch für manche Strukturvertriebe, in denen mit Druck, Angst und extremen Auszeichnungen geführt wird. Auch die schnellen, extremen Markteintritte so mancher westdeutscher Unternehmen in Ostdeutschland in den 90ern hatten etwas von Rot. Wird das Chaos durch Rot zu groß oder führt persönlich nicht weiter, beginnt die Suche nach Struktur, Ordnung und Sicherheit – den typischen Werten des nächstens Levels, Blau. Persönlich könnte das zum Beispiel die Suche nach einem „sicheren Job“ zum Berufsstart sein. Auf diesem Wir-Level gelten klare Regeln und eine ausgefeilte, umfangreiche Hierarchie, wie sie auch für viele Unternehmen ab den 50er Jahren in Deutschland typisch war. Auch in der Gesellschaft waren Werte wie Sicherheit und Pflichterfüllung zu dieser Zeit besonders wichtig und handlungsleitend.

Die zumeist vorherrschenden Ebenen

Blau könnte Ihnen begegnen, wenn ein Bürgerbüro leider nur zwei Stunden Sprechzeit am Tag hat oder Sie nur per Fax mit den Mitarbeitern dort kommunizieren können. Natürlich entsprechen dem nicht mehr alle staatlichen Bereiche – aber das durchaus an vielen Stellen noch berechtigte Klischee ist ein wunderbarer Ausgangspunkt, um Ihnen diese Entwicklungsstufe zu erläutern. Blau hat feste organisatorische Abläufe, klare Strukturen und Regeln. Das macht natürlich grundsätzlich Sinn – aber es fehlt etwas. Was sie nämlich oft nicht hat: Orientierung an den Kunden. Eine riesige durchreglementierte Organisation, in der die meisten Mitarbeiter ihren Platz kennen und jeder weiß, wer Ober und wer Unter ist. Und man macht alles, wie man es immer gemacht hat. Alles ist klar geordnet – nur zielführend ist es oft nicht. Hier arbeitet – auch da gibt es natürlich Ausnahmen von der Regel – wer wissen will, woran er ist, dass es morgen genauso läuft wie gestern und gerne in Routinen schwelgt. Pflicht, Ordnung, Kontrolle – mit allen Stärken und eben auch Schwächen, die dieses System automatisch liefert. Viele Unternehmen waren früher so organisiert – auch da waren die Hierarchien bis ins letzte durchdekliniert, Mitarbeiter Rädchen im Betriebe, und alles hatte seine Ordnung. So lange die Angebotsmacht hoch war, lief das ganz gut. Führungskräfte gaben Anweisungen, die wurden umgesetzt, und den Rest regelten die 1.000seitigen Handbücher. Einfach. Willkommen im Deutschland der 60er Jahre. Und sicher gibt es davon auch heute noch einige in der deutschen Wirtschaft, die sich dran orientieren. Auch unter Führungskräften.

Allerdings dürfte die Mehrzahl der Führungskräfte sich eher auf dem nächsten Level wiederfinden: Wenn sich Menschen ausreichend sicher fühlen, wollen sie mehr. Wohlstand, Karriere, Status. Wenn die Nachfrage mehr Macht bekommt, müssen sich Unternehmen ändern – oder sie verschwinden vom Markt. Auf diesem Wege betritt man die nächste Ebene: Orange. Das Individuum steht jetzt im Vordergrund. Und es will Erfolg – einer der Meta-Werte auf dieser Ebene. Ebenso wie die Eigenverantwortung für diesen Erfolg. Ein 28-jähiger, der sagt, er will wissen, wie er an die erste Millionen kommt, ist ganz und gar auf dieser Ebene angekommen. Shareholder Value ist das unternehmerische Pendant dazu. Und schon sind wir vor allem in den 80er, 90er oder 00er Jahren, in denen das bis ans absolute Maximum ausgereizt wurde. Natürlich gibt es hier immer noch klare Hierarchien – aber sie richten sich unter Orange sehr stark auf den Unternehmenserfolg und damit den Kunden aus. Clients first. Jetzt dürfen sich auch die Rädchen im Getriebe (also die Mitarbeiter) miteinander austauschen – was auf Blau nicht so gern gesehen wurde, weil es ja die Ordnung der Hierarchie beschädigt: „Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder macht, was er will“ – wenn es dem Kunden und dem Erfolg des Einzelnen und des Unternehmens dient. Win-Win also. Führung weist immer noch an, aber zumindest hat es hier mit Erfolg, Umsatz, Ertrag einen klaren Zweck (oder sollte es haben – wir sind ja Menschen). Eine gute Führungskraft wird also Mitarbeitern ermöglichen, ihre individuellen Ziele zu erreichen und gerne auch mit Boni antreiben. Die Peitsche aus Blau wird durch die Mohrrübe auf Orange ergänzt. Und so lange alle scharf auf diese Mohrrüben sind, funktioniert das auch recht gut. Auch deshalb denken und handeln die meisten Unternehmen heute immer noch schwerpunktmäßig genau auf dieser Ebene. Allerdings übertreiben das manche (Menschen oder Organisation) – und dann kann es auf der einen Seite erst Stress oder gar Burnout heißen, und Mitarbeiter und Führungskräfte wandern ab. Auf der anderen Seite nimmt der Grenznutzen von allem immer ab – auch der von Erfolg und Wohlstand. „Wofür dieses Hamsterrad?“, lautet dann die Frage. Und auf der dritten Seite: Manche erkennen in ihrer persönlichen Entwicklung: Es gibt noch mehr in mir als den Homo Oeconomicus, den rein rational handelnden Menschen. Wir haben ja auch Emotionen. Das spürt der Einzelne, und das spürt die Gesellschaft.

Wenn mir im Coaching ein 50-jähriger Geschäftsführer in seinem riesigen Büro oder seinem teuer ausgestatteten Haus gegenübersitzt, ich seinen extrem großen Firmenwagen sehe und die wunderschöne Uhr am Handgelenk – und er mir dann erzählt, dass er ausgelaugt ist, seine Ehe am Ende oder seine Gesundheit erste größere, nicht mehr zu leugnende Risse zeigt, weiß ich, dass er besser früher als später auf die nächste Ebene will: Grün. Der angeblich rationale und sehr erfolgreiche Mensch ist traurig und erschöpft. Was er sucht, ist ein „neues Wir“ nach so viel Erfolg fürs Ego, er sucht positive Emotionen nach so viel angeblich vernünftigem, rationalen Handeln. Natürlich muss es nicht in diesem Klischee münden – Klischees eignen sich wie Sie merken perfekt, um die Ebenen eindeutig zu vermitteln – es kann auch einfach sein, dass sich Menschen überlegen, ob sie denn mit ihrem Leben noch etwas anderes anfangen wollen, als Karriere, Erfolg und Wohlstand – auch davon sind mir viele begegnet. Der Einbezug von Emotionen auf dieser grünen Ebene wirkt sich in Unternehmen (und auch Gesellschaften) auf vielerlei Wegen aus: Gleichberechtigung, Work-Life-Balance, Wertschätzung und Anerkennung, Nachhaltigkeit, die Installation von Werten (Orange benutzt sie plakativ, Grün lebt sie) und flachen Hierarchien. Sicher spüren Sie schon eine Menge aktueller Trends unserer Gesellschaft – ja? Meetings beginnen nicht mehr mit einer Rede des Ranghöchsten (Blau) oder des Erfolgreichsten (Orange), sondern wahrscheinlich eher mit einer Frage wie „Wie geht es Euch denn?“ oder „Hat jemand etwas zu berichten?“ Führung bekommt mehr von Moderation oder Coaching, menschliche Bedürfnisse werden ernst genommen, und die Organisation ist eher eine Matrix. Meistens begegnet man sich (fast) auf Augenhöhe. Viele Unternehmen stehen an der Schwelle zu Grün, manche haben sie schon erreicht, und alle müssen sich mit deren Anforderungen auseinandersetzen. Für viele von Orange geprägte Führungskräfte ist das eine echte Herausforderung, weil ihr Selbstverständnis sich noch an Erfolgsmaximierung orientiert, für sich selbst und eben auch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und sie sich dafür mit einer Fahne voranlaufen sehen. Jetzt wollen Mitarbeiter selbst zumindest ein Team-Fähnchen. Allerdings schafft Grün auch neue Probleme: Ein Konsens, mit dem alle (auch noch emotional) zufrieden sind, braucht viel Zeit. Sehr viel Zeit. Emotionen sind etwas höchst Individuelles – und sie werden zwar durch äußere Ereignisse angestoßen, diese Ereignisse aber von unterschiedlichen Menschen auch völlig unterschiedlich verarbeitet. Emotionen haben also bei genauem Hinsehen viel mehr mit einem selbst zu tun, als dem Impuls von außen. Was für den einen eine klare Aussage ist, erscheint dem anderen schon zu aggressiv. Grün leugnet diese Eigenverantwortung für die eigenen Emotionen ein ordentliches Stück weit – denn man lebt ja im „Wir“. Außerdem sorgt die systemimmanente Überbetonung des Gefühls eben oft für suboptimale Lösungen, weil das Denken etwas leidet. Gut gemeint, ist halt längst nicht immer gut gemacht. Diese Probleme führen zur nächsten Ebene.

Weißes Gebäude

Rang 2 – einen „Meta“-Schritt weiter

Ein wichtiger Punkt vorab zu der folgenden Ebene: Die bisherigen Ebenen in Reinkultur schätzen sich untereinander nicht sehr. Changeprozesse von Blau zu Orange – weil man spürt, dass man nur überlebt, wenn man sich mehr am Kunden orientiert – stoßen gerne auf massive Verharrungskräfte einer über Jahre gewachsenen blauen Organisation inklusive Blau gewohnten Mitarbeitern. Auch Eigenverantwortung muss man erst (schätzen) lernen. Oder: Ein Vorstand auf extremem Orange wird sich vielleicht über grüne Frauenquoten mokieren. Und das „blöde Kapitalisten“ vieler Menschen auf Grün ist andersherum recht klar gegen Orange gerichtet. Dieser Kulturkampf zwischen den Ebenen verschwindet ab der nächsten Stufe. Diese erkennt, dass alle Ebenen ihren Sinn haben können – je nach Situation und Thema – und dass alles halt etwas komplexer ist als die festgeschriebenen Werte der vorhergehenden Level.

Diese Ebene, Gelb, ist ein sehr freies Level. Persönliche Freiheit und Entwicklung sind die Meta-Werte. In der Spiral Dynamics Theorie wird hier ein besonders großer Schritt, in Rang 2, gemacht. Es wird nicht mehr ein Mangel gestillt – Unsicherheit (Blau), mangelnder Wohlstand (Orange) oder fehlendes Gefühl (Grün) – sondern aus der Fülle herausgehandelt: Was möchte ich entfalten, was will ich tun? Also positiv nach vorne gerichtet. Und zweitens: Im zweiten Rang ab Gelb ist eine der vorhergehenden Ebenen nicht mehr besser als die anderen. Es hängt alles vom Kontext ab – und da kann jede Ebene Sinn machen. Um bei dem Meetingbeispiel von oben zu bleiben – wie fängt das denn auf Gelb an? Kommt darauf an, worum es geht. Vielleicht spricht der organisatorisch Ranghöchste, vielleicht der Erfolgreichste, vielleicht reden wir erst einmal darüber, wie es uns geht. Was brauchen wir für den speziellen Kontext dieses Meetings – und wer hat dafür die meiste Kompetenz? Der Kontext ist auf Gelb oft entscheidend – was oft besser ist, aber eben auch komplexer, denn einfache Regeln gelten nicht mehr. Gelb ist wieder sehr individuell – aber nicht mit der totalen Ausrichtung auf Erfolg wie Orange, sondern auf Entwicklung, auf die Interessen des Einzelnen oder einer temporär gemeinsamen Sache, was bei dem einen dann Erfolg sein kann, bei dem anderen aber auch einfach Freude am Tun oder der Flow einer Berufung. Alles ist okay, alles ist akzeptiert. Damit „muss man auch nicht mehr nett sein“ – wie auf Grün – jeder ist halt wie er ist. Und jede „Sie“ auch  – wobei die Geschlechterfrage im beruflichen Kontext keine mehr ist. Aber „unter Gelben“ hat man eine gute Idee davon, wann „nett“ eben sinnvoll ist, es ist also kein Freifahrtschein für rotes oder oranges Verhalten. Es braucht zwar ein Regelwerk für die Zusammenarbeit – aber eben, um allen die eigene Entfaltung zu ermöglichen und das aktuelle Thema optimal zu lösen. Das Problem für Unternehmen: Persönliche Entwicklung, Interessen des Einzelnen und ähnliches sind natürlicherweise sehr starken Veränderungen unterworfen – Menschen, bei denen vor allem dieses Level handlungsleitend ist, sind manchmal so schnell wieder weg, wie sie da waren. Dafür sind sie in der Zeit, die sie da sind, extrem stark, weil sie völlig aus dem inneren Wollen heraus handeln – in der Zusammenarbeit herrscht ein Win-Win-Win von innen heraus. Kein Druck, keine Karotte und auch kein „tolles Teamgefühl“ zwingend notwendig. Führung wird deshalb nur noch aus Kompetenzgründen akzeptiert. Ansonsten gilt Selbstführung. Sie sollten als Führungskraft ansprechbar sein – aber ansonsten möglichst aus dem Weg gehen. Für viele Führungskräfte – und auch für große Teile der Gesellschaft – ist das noch etwas weit weg. Für viele Unternehmen ebenfalls, da der Verbund dann sehr locker sein wird. Mitarbeiterbindung kein Thema mehr? Für die meisten schwer vorstellbar. Aber: Gerade Leistungsträger und weit entwickelte Persönlichkeiten sind oft schon sehr gelb – man muss also mit ihnen umzugehen wissen.

Die Ebenen 8 und 9 mache ich kurz: Das nächste Level Türkis, ist so etwas wie eine neue Spiritualität, bei der die eigene Person nicht mehr im Zentrum der Welt steht – ein sehr intuitives Wir-Level. Und zu dem neunten Level Koralle kann ich Ihnen leider wenig berichten: Die Entwickler des Modells tun dies selbst aus der simplen Tatsache heraus nicht, das wohl noch niemand auf diesem Level ist.

Eine abschließende Anmerkung zu diesen Ebenen. Keine ist besser als die anderen. Es geht nur um einen komplexeren Blick auf die Welt und die Orientierung an den entsprechenden Werten dieser Komplexität. Jemand, der monatelang Gewichte gehoben hat, verfügt natürlicherweise über stärkere Muskeln im Arm – aber er ist deshalb nicht generell besser. Jemand wie ich, der seit mehr als einem Jahrzehnt alles über persönliche Entwicklung aufgesogen und angewandt hat, kann gar nicht anders, als diese Themen und Menschen sehr komplex zu betrachten. Aber es ist nicht generell besser – es kann sogar sehr hinderlich sein, wenn zum Beispiel in einem grünen Kontext klare Regeln gelten, wie „gemeinsam“ wir alles machen und entscheiden müssen – und jemand auf Gelb mehr auf sich fokussiert ist. Wer das starke Gefühl hat, auf einer Ebene besser als andere zu sein – ist noch sehr mit dem orangenen „schneller, höher, weiter“ verknüpft. Allerdings sollte jemand, der Menschen oder gar Unternehmen nachhaltig erfolgreich führen möchte, die Komplexität wahrnehmen können und ihr entsprechend handeln können.

Orientierung für die Praxis – Welche sind Ihre Ebenen?

Was können Sie aus diesen Ebenen für den Führungsalltag mitnehmen? Sicher haben Sie schon für sich selbst den Schluss gezogen, welche ein bis zwei Ebenen in Ihrem derzeitigen Unternehmen handlungsleitend sind. Und welche Ebenen vor allem für Sie persönlich gerade wichtig sind. Auch wenn die Ergebnisse der 9 Levels-Analyse bei einigen Klienten dann durchaus noch einmal sehr viel Klarheit in ein bisher eher unbestimmtes Bauchgefühl gebracht haben, „dass eine Veränderung ansteht“. Fürs Erste haben Sie sicher eine gute Idee bekommen, wie gut Sie und Ihr Unternehmen matchen – also wie gut Sie Ihre derzeitigen Werte in der aktuellen Position im derzeitigen Unternehmen entfalten können.

Vor allem aber bekommen Sie damit eine sehr klare Orientierung, warum Ihre Führungsaktivitäten bei manchen Menschen sehr gut funktionieren, warum bei anderen nicht, und was Sie mit wem wie anders machen können. Wenn Sie die Menschen, die Sie derzeit führen, auf den jeweiligen Ebenen verorten, gibt das eine Menge Ideen für zielgenaue und dem Gegenüber angemessen funktionierende Führung. Dass etwas mit manchen Menschen in der Führungsarbeit nicht funktioniert, merken wir ja immer sehr schnell. Aber warum das so ist – und wie man das ändern kann – ist deutlich komplexer. Dafür können die Ebenen sehr gute Orientierungspunkte liefern.

Gleiches gilt für Changeprozesse – im Kleinen wie im Großen. Die Ergebnisse der Unternehmensumfragen nach 9 Levels reichen dabei von Kulturen, bei denen noch sehr viel Purpur oder Blau vorherrscht, bis zu Organisationen, die schon sehr viel Grün und auch Gelb verinnerlicht haben. Wenn ich dieses Modell dann mit meinen Klienten reflektiere, bezieht dies verschiedenste Aspekte innerhalb des Unternehmens ein: Wo stehen wir in puncto Führungsverhalten, Entscheidungsfindung oder dem Umgang mit Konflikten? Worauf vertrauen Mitarbeiter, wovor haben sie Angst – auf Orange eher vor Misserfolg, also Versagen, auf Grün eher vor Gesichtsverlust und auf Gelb vor allem vor der Einschränkung des eigenen Freiraums – aber auch, was motiviert sie von innen heraus und ganz von allein? Wie gehen wir mit Werten um, und wie gewichten wir sie im Vergleich zur Strategie, welche Arbeitsatmosphäre herrscht bei uns und was sichert Loyalität? Und schließlich die Klassiker der etwas einfacheren Unternehmensentwicklung: Wie sehen unsere Prozesse aus, wie unser Entlohnungssystem oder unser Organigramm: Schon Grün oder Orange oder gar noch Blau? Und wie kann Gelb funktionieren? Kann es überhaupt? Was brauchen unsere Mitarbeiter, unser Recruiting und was unsere Kunden? Wo wollen wir mittel- und langfristig stehen?

Haben Sie Ideen für Ihr Unternehmen? Der Prozess der Analyse ist meist hochspannend – wie mir die Reaktionen in Workshops immer wieder zeigen: „So haben wir das noch nie betrachtet.“ Und gleiches gilt natürlich für die anschließende Beantwortung der Frage, in welchen Bereichen Maßnahmen derzeit am wichtigsten sind und wie diese konkret aussehen können. Schon eine Vorstellung?

Zum Abschluss als Gedankenanregung: Da Unternehmen und damit besonders Führungskräfte auch eine gesellschaftliche Verantwortung haben, ist vielleicht auch dieser Blick spannend für Sie: Unsere Gesellschaft steht neben einigen speziellen Ausläufern früherer Ebenen vor allem mit einem Bein in Orange – Erfolg, Konsum, Individualität sind wichtige Werte, und mit einem Bein in Grün – vor allem geprägt durch die veröffentlichte Meinung, und starken Bewegungen zum Beispiel bei den Themen Gleichberechtigung, Ökologie und einer insgesamt stärkeren Betonung des Gefühls. Nun wird diese Gesellschaft in den vergangenen Jahren von außergewöhnlichen Ereignissen wie der Flüchtlingsbewegung aus Syrien und zahlreichen Krisen von Corona bis zum Krieg in der Ukraine  getroffen. Veränderung wird von außen aufgezwungen. Die Frage ist, auf welchen Ebenen wir als Gesellschaft im Inneren und nach Außen antworten. Wie sind wir als Gesellschaft mit Corona umgegangen und auf welchen Leveln? Oder der Krieg Russlands: Wie sieht eine Antwort auf Orange aus, wie auf Grün? Oder antworten wir sogar selbst auf Rot? Wie sähe eine Antwort auf Gelb aus? Und welchen Beitrag kann ein Unternehmen, können Sie persönlich leisten? Auch dies ist wahrscheinlich eine Frage, über die man sich nach etwas eigener Reflexion am besten persönlich austauscht. Melden Sie sich gerne, wenn Sie mögen.